Liebe Freunde!

 

Ein Gedankenexperiment: Stellen wir uns einmal Europa ohne das Christentum vor. Würden wir es ohne Kirchtürme, Wegkreuze, Universitäten und Spitäler wiedererkennen? Würden wir uns ohne Menschenrechte, Solidarität und Einbindung der Schwachen auf unserem Kontinent wohlfühlen?

 

Trotzdem wird das Christentum oft als übrig gebliebender Ballast, Erinnerung an vergangene Zeiten oder gar als zu überwindende kulturelle Prägung gesehen. Obwohl es (geistes-) geschichtlich unerlässlich ist, scheint ein Gottesbezug oder die Erwähnung des christlichen Erbes in der EU-Verfassung unmöglich.

 

Heute mag es oft schwer fallen, sich als Christ offen zu bekennen. Unser Selbstvertrauen erscheint angeknackst. Doch es gibt soviel, worauf wir stolz sein können und was uns Mut macht, aus den Nebengassen auf den Hauptplatz zu treten, um Europa für Christus zu gewinnen.

 

Im folgenden Text von Guido Horst finden sich Gründe genug.

 

Ihr „Europa für Christus!“ Team

 

PS: Nicht vergessen: das tägliche Vater unser für ein christlich geprägtes Europa!

 

 

- * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * - * -

 

 

Was heißt ‚Christliches Erbe’?

Von Guido Horst

Wer an das Christentum denkt, denkt oft an seine steinernen Zeugnisse aus der Geschichte: Von den frühchristlichen Basiliken Roms über die Grabes- und Geburtskirche im Heiligen Land bis hin zu den romanischen und gotischen Kathedralen in Deutschland. Oder an die Kunst: Museen in aller Welt beherbergen vom Glauben christlicher Meister und der langen Tradition der Kirche inspirierte Werke aus den verschiedensten Epochen. Auch Literatur, Philosophie und die gesamten Geisteswissenschaften wären ohne christliche Vorgaben nicht vorstellbar.

 

Aber die Spuren des Christentums durchziehen nicht nur Museen und Bibliotheken, sie reichen weit in den Alltag hinein. Immer noch geht die Zeitrechnung von der Geburt Christi aus, sind christliche Namen eine Selbstverständlichkeit, ruht die Arbeit an den großen kirchlichen Feiertagen und „schmückt“ das C viele große Parteien. Aber das ist nur die Oberfläche. Überall da, wo das Christentum in Kultur und Gesellschaft eindringen konnte, schuf es eine Hinterlassenschaft, die auch atheistische Regime nicht völlig auslöschen konnten: eine Humanisierung der Kultur, die das Innerste der Zivilisation betrifft.

 

Wenn man heute von geistigen Voraussetzungen spricht, auf denen der moderne Staat beruht, die er aber selber nicht garantieren kann, so sind damit Werte gemeint, die wir der jüdisch-christlichen Tradition zu verdanken haben. Der Begriff der Person, die unveräußerliche Würde eines jeden Menschen, Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Andersgläubigen – das alles leitet sich von der christlichen Grundbotschaft her, dass jeder Mensch, ob jung oder alt, stark oder schwach, das geliebte Kind des göttlichen Schöpfers ist, für dessen Heil Gott selber Mensch geworden ist.

 

Das Christentum trug dieses Wissen, wer also der Mensch ist, woher er kommt, wohin er geht, was es heißt, sein persönliches Heil zu finden, durch die Zeit. Ob ihm nun Zuspruch oder Feindseligkeit begegneten, war nicht wesentlich. So wurden aus Stammesrechten und –riten eine moderne Gesellschaft: die Einehe als Gemeinschaft von Gleichwertigen; Vaterrechte beinhalteten nicht mehr die Entscheidung über Leben und Tod des Familienmitglieds; Ehrenmorde und Sklaverei wurden verpönt und abgeschafft. Überall da, wo das Evangelium sich ausbreitet (man schaue nach Indien, Afrika oder die armen Regionen Lateinamerikas), findet diese Humanisierung der Kultur statt.

 

Auch die Religions- und Gewissensfreiheit musste hart erkämpft werden. Oft forderte dieser Kampf Leib und Leben von überzeugten Christen, wie man auch an den vielen Beispielen des christlich motivierten Widerstandes gegen die Nationalsozialisten und Kommunisten sieht.

 

Europas friedliche Einigung nach dem zweiten Weltkrieg basiert auf einer klaren Entscheidung für eine Versöhnung mit Deutschland – und gegen Rache. Auch die „Samtene Revolution“ 1989 – wie zum Beispiel in Polen und der Tschechoslowakei – war im christlichen Menschenbild grundgelegt. Als Johannes Paul II. 1979 Polen besuchte, fragte er seine Landsleute „Wofür entscheidet ihr euch? Dem totalitären Zwang zuzustimmen – oder dem unveräußerlichen Recht, in göttlicher und menschlicher Ordnung in Freiheit und Würde zu leben?“ Die Antwort – in ihrer politischen Form als Solidarnosc bekannt – ließ nicht lange auf sich warten.

 

Am stärksten wird die Prägung Europas durch das gelebte Evangelium überall dort spürbar, wo gegen jede gesellschaftliche „Nützlichkeit“ Leidenden, Schwachen und Behinderten beigestanden wird. Auch der Schmerz, mit dem die moderne Gesellschaft nicht umzugehen weiß (man denke an das aggressive Lobbying zur Durchsetzung der Euthanasie), wird in der Tradition christlicher Pflege und unzähliger geistlicher Krankenhäuser gelindert und bekommt im Licht des Glaubens einen neuen Sinn: Der Kranke erhält dadurch echte Würde und Daseinberechtigung.

 

Mit Recht dürfen wir auf unser christliches Erbe stolz sein. Aber es verlangt auch etwas von uns: Wir müssen es ebenso unbeirrt und inbrünstig an die nächste Generation weitergeben. Denn Tradition ist nicht die Asche, sondern die darunter verborgene Glut.

 

 

Guido Horst ist Chefredakteur der deutschen christlich-orientierten Zeitung „Die Tagespost“. Er ist Historiker und Autor zahlreicher Bücher.

 

 

Literaturempfehlung:

C.S. Lewis: Die Abschaffung des Menschen. Johannes Verlag, Einsiedeln 1983. ISBN 3894111577.