Liebe Freunde!

 

„Gut und Böse ist nichts weiter als ein soziales Konstrukt!“, beteuert der junge Mann in langen nächtlichen Diskussionen. Bis man ihm die Geldtasche stiehlt. „Das darf man mir nicht antun!“, ruft der Geschädigte, als er die Kreditkarte schließen muss und sich einen neuen Führerschein ausstellen lässt. „Nun ja,“ könnte der Dieb meinen, „warum nicht? Ich denke da anders – Dein Bargeld brauche ich sicherlich notwendiger als Du!“

 

Ein moralisches Absolutum anzuerkennen, ist von niemanden zu viel verlangt. Im Gegenteil, jeder profitiert davon: Denn nur Absolute schützen wirklich: Wenn mein Recht von Umständen abhinge – dann letztlich von dem, der diese interpretiert. Und das ist jedenfalls zu subjektiv.

 

Der niederländische Professor für Rechtsphilosophie Andreas Kinneging beschreibt im Mai-Newsletter, was es mit der Objektivität von Gut und Böse auf sich hat.

 

Ihr „Europa für Christus!“ – Team

 

PS: Nicht vergessen: Das tägliche Vater unser für ein christliches Europa! Denn wenn wir keinen Vater im Himmel hätten, wäre alles erlaubt.

 

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Ist es richtig, einige Dinge „falsch“ zu nennen?

Von Andreas Kinneging

Gibt es ‚richtig’ und ‚falsch’ im moralischen Sinn? Diese Frage ist heute dringender als je zuvor, die Verwirrung darüber war niemals größer. Immer mehr Menschen glauben, dass richtig und falsch einfach nur subjektive Wahrnehmungen sind. In ihren Augen ist das richtig und falsch, was ein Individuum, eine Gruppe oder eine Gesellschaft  in diesem Moment für richtig oder falsch hält. Wenn sich die Wahrnehmung dieser einzelnen Personen, Gruppen oder Gesellschaften ändert, dann ändern sich eben auch richtig und falsch - denn über diese Meinungen hinaus gibt es keinen fixen Bezugspunkt.

 

Natürlich stimmt es, dass es verschiedene Meinungen unter verschiedenen Menschen gibt. Es ist eine besondere Fähigkeit des Menschen, Widerspruch zu üben. Dennoch gibt es einige Dinge, die nicht einfach frei zur Wahl stehen.

 

In einer Klasse mit 6-jährigen Schülern können die Meinungen mitunter sehr unterschiedlich ausfallen, was zum Beispiel die Antwort auf die Frage nach der Summe von zwei plus zwei ist. Aber niemand würde sagen, dass die richtige Antwort subjektiv wäre. Es gibt nur eine korrekte Antwort auf die Frage: vier. Die Richtigkeit der Antwort hängt auch nicht von der Anzahl der Schüler ab, die sie gefunden haben. Sie ist und bleibt richtig, auch wenn nur eine Minderheit der Kinder diese Antwort kennen. Sie bleibt korrekt, selbst wenn nur ein einziges Kind - oder gar keines der Kinder, die richtige Antwort weiß.

 

Etwas Ähnliches kann vom moralisch Guten und Schlechten gesagt werden. Bei einigen Handlungen ist mit Sicherheit klar, dass sie weder für mich noch für einen anderen noch für die Gemeinschaft jemals gut sein können. Von anderen Dingen, z.B. Handlungen der Liebe oder Ehrlichkeit, können wir hingegen sagen: Ja, das ist immer gut für den anderen. Woher wissen wir das? Es gibt mehrere Quellen dafür: unter anderem die zehn Gebote und ihre tiefe Bedeutung, die uns Christus erschlossen hat. Aber auch durch unsere eigene Erfahrung: es ist „in ihr Herz geschrieben“ sagt Paulus im Römerbrief. Wenn es nicht zu tief verschüttet worden ist, dann können wir dieses Gesetz in uns „lesen“. Die Psychologie und die Soziologie bestätigen seine Gültigkeit: jede einzelne Person und die Gesellschaft als Ganzes brauchen es, um gedeihen zu können.

 

Die Gesellschaft könnte nicht funktionieren, wenn Mord oder Diebstahl unbestraft blieben. Ein Mensch könnte nicht glücklich leben, wenn Heirat, Religion oder Bildung verboten wären. Ein Kind könnte sich nicht gesund entwickeln, wenn es keine Liebe und Aufmerksamkeit bekommen würde. Ein Unternehmen wäre ohne Pünktlichkeit, Kollegialität oder Ehrlichkeit nicht nachhaltig erfolgreich. Das Wissen um „richtig und falsch“ ist wie ein Benutzerhandbuch für das eigene Leben und das Zusammenleben mit anderen. 

 

Dass es unterschiedliche Auffassungen darüber geben kann, was richtig und falsch ist, ändert den tatsächlichen Sachverhalt darüber keineswegs. Es ist gut möglich, dass unter all den verschiedenen Auffassungen nur eine einzige wirklich korrekt ist. Oder gar keine. Und es kann sein, dass einige Meinungen näher an der Wahrheit sind als andere, so wie in unserem Beispiel die Kinder mit der Antwort „drei“ und „fünf“ näher an der Wahrheit liegen als jene, die mit „zehn“ oder „siebzehn“ geantwortet haben.

 

Die Grundwahrheiten, die objektiv richtig oder falsch sind, müssen auch vom Staat als solche anerkannt werden. Das wurde zum Teil in den Menschenrechtskatalogen getan. Zwar kann man kritisieren, dass inzwischen zu viele, teils willkürliche Dinge als ‚Menschenrecht’ behandelt werden, aber trotzdem sind sie eine große Leistung. Eine Nation muss erkennen, dass unschuldiges menschliches Leben niemals direkt getötet werden darf, auch wenn es noch ungeboren ist. Hierbei dürfen wir nicht vergessen: schlechte Gesetze machen aus etwas Falschem noch nichts Gutes!

 

Dieses Benutzerhandbuch des Menschen ist etwas, das die Menschheit entdecken muss, genauso wie eine mathematische Gleichung entdeckt werden muss. Einmal entdeckt, muss es aber in Erinnerung bleiben und der nächsten Generation weitergegeben werden.

 

Alle großen vergangenen Zivilisationen haben Teile der moralischen Beschaffenheit der Welt entdeckt. Was als Gut oder Schlecht galt, hat sich auch oft überlappt und Ähnlichkeiten geschaffen. Die tiefste und weitestreichendste Erkenntnis von Gut und Böse hat aber das Christentum gebracht, aufbauend auf der griechischen Philosophie und dem jüdischen Glauben. Wir tun gut daran, das nicht zu vergessen – und es der nächsten Generation weiterzugeben.

 

 

Prof. Dr. Andreas Kinneging ist Professor für Rechtsphilosophie an der Juristischen Fakultät der Universität Leiden in den Niederlanden. Eine seiner Hauptinteressen ist die humanistische und christliche moral- rechts- und politikphilosophische Tradition, von Platon bis Dietrich von Hildebrand. Sein letztes Buch (2005) heißt 'Geographie van Goed en Kwaad' (Geographie von Gut und Böse).